Ich bin jetzt DU - Leseproben

Leseproben aus dem Neuseeland-Reisekrimi "Ich bin jetzt DU"

Leseprobe aus Kapitel 3


Wilhelm Schott, alias Schotter Willi erhob sich mit übertriebener Höflichkeit von seinem Schreibtisch. »Die Herren von der Polizei – bitte nehmen Sie doch Platz. – Darf ich Ihnen einen Drink anbieten? Nein? – Verstehe – Sie sind im Dienst – was führt Sie zu mir?«

Bruno Bär sagte erst mal gar nichts. Wilhelm Schott begann an dem großen Nugget zu spielen, der an einer dicken Goldkette um seinen Hals hing. Polizei – war gleichbedeutend mit Ärger und Problemen. Wegen Ronny? Der Kerl war abgängig – überfällig – seit Freitag. Er hätte noch am Abend seine Einnahmen abliefern sollen. 165 000 Riesen! Sofern alle bezahlt hatten. War er damit abgehauen? Mit der ganzen Kohle? Bär holte ein Foto aus seiner Jackentasche und schob es wortlos über den Schreibtisch. Schotter Willi schnappte nach Luft. 

»Kennen Sie ihn?«

»Äh, ja – das ist Ronny.«

»Ronny - wie noch?«

»Wenzel – glaub ich. Ist ihm etwas zugestoßen?«

»Kann man so sagen.«

»Er sieht auf dem Foto so seltsam aus. Ist er – tot?«

»Mausetot.«

Schotter Willi schluckte.

»Hat er für Sie Schulden eingetrieben?«

»Eingetrieben – das klingt so – so unfreundlich.« Willi fuhr sich mit den Fingern durchs blonde, dauergewellte Haar. »Er hat meine Kunden an die fälligen Raten erinnert.«

»Und an die Wucherzinsen«, fügte Bär hinzu.

»Das klingt – unschön. Ich bin Geschäftsmann. Ich nenne das Risikozinsen. Die Banken leihen doch nur denen Geld, die eigentlich gar keines bräuchten. Von mir bekommen auch die Geld, die gar nichts haben, – mit einem kleinen Risikoaufschlag.«

»Verstehe, Sie sind ein Wohltäter!«, spottete Becker. Schotter Willi gab keinen Kommentar.

»Hat dieser Ronny auch am Freitag Kunden an ihre Raten erinnert?«

Schotter Willi drehte nervös an einer goldenen Armkette mit dicken Gliedern. »Ja, er sollte – einige überfällige Beträge kassieren.«

»Und – hat er?«

»Nun – sagen wir so – ich weiß es nicht – weil – ich hab ihn nicht mehr gesehen.«

»Das heißt im Klartext, Sie befürchten, dass er verduftet ist? - Mit dem Geld?« 

Schotter Willy nickte.

»Viel Geld?«

Schotter Willi, der gerissene Kredithai drehte sich innerlich um die eigene Achse. Einerseits hätte er gerne vermieden, den Kommissaren auf die Nase zu binden, mit wie viel Geld er jonglierte. Polizisten verdienten keine Reichtümer, das war ja bekannt, – andererseits, wenn Ronny das Geld noch bei sich gehabt hatte, was zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen war, könnte er es nicht als sein Eigentum reklamieren. 

»Hundertfünfundsechzigtausend«, stieß er zwischen den Zähnen hervor, »sofern alle bezahlt haben.«

Bär stieß einen Pfiff aus. Schotter Willi ließ vom Armband ab, drehte stattdessen die Goldkette mit dem Nugget zur Kordel, ließ sie wieder aufschnellen – »Hatte er das Geld bei sich?«, fragte er schließlich.

Bär genoss Schotter Willis Unbehagen. Er ließ ihn absichtlich ein wenig zappeln. »Über unsere Ermittlungsergebnisse dürfen wir Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt leider keine Auskunft geben«, gab er ohne Bedauern zur Antwort.

Leseprobe aus Kapitel 17


Rings um die kleine Bucht wimmelte es bereits von Polizisten. Sie waren mit Booten über den See gedüst, mit Autos über die Lake-Road gerumpelt. 

»Ist Wasserleichen finden Ihr Hobby?«, fragte DSC Fraser sarkastisch.

»Du bist ein ungehobelter Rüpel«, warf ihm Moana vor. »Siehst du nicht, dass die Frau ziemlich angeschlagen ist.«

»Nun ja, kurz nacheinander über zwei Mordopfer zu stolpern, kommt statistisch gesehen nicht so oft vor«, kommentierte Tim Fraser das Geschehen, »zumindest nicht bei uns in Neuseeland. Kann ja sein, dass das in Deutschland anders ist! Kannst ja mal deine Cousine fragen.«

Moana warf ihrem Chef einen bösen Blick zu. »Kennen Sie die Frau?«, wandte sie sich stattdessen an Helga. 

»Kennen? Nein. Ich habe ja auch ihr Gesicht nicht gesehen. Sie lag auf dem Bauch. Aber die Hose! Ich glaub, ich kenn die Hose!«, stieß sie hervor.

»Ja, natürlich, die Zeugin mit dem besonderen Blick für Klamotten!«, spottete Tim Fraser. »Aber die Tote hat keine Hose mehr an!«

»Nein, an hat sie keine mehr. Aber ich denke, es sind schwarze Jeans, deren Hosenbeine an ihren Knöcheln festgebunden sind. Schwarze Jeans mit roten Herzen an den Seitennähten.«

»Ja, das stimmt,« bestätigte Moana. »Das war sicher ein auffälliges Kleidungsstück. Wo und an wem haben Sie die Hose gesehen?«

»Wo?« Helga überlegte. »Es war auf einem Campingplatz. Im Waschraum. Die Frau berichtete von dem Wohnmobil, das sie gekauft und dass sie viel Geld geerbt hätte. Und ich weiß noch, dass ich sie davor gewarnt habe, das so vertrauensselig überall in der Gegend herumzuposaunen.«

»Welcher Campingplatz?«, hakte Tim Fraser nach.

»Soweit ich mich erinnere, war das am Kerikeri Inlet.«

»Hat die Frau auch ihren Namen genannt?«

»Ich glaube ja, zumindest den Vornamen. Aber gemerkt habe ich ihn mir nicht. Ich hab sie seitdem auch nicht mehr gesehen.«

»Wissen Sie noch, wann das war?«

»Nein, aber anhand meines Reisetagebuchs und meiner Fotos kann ich das feststellen. Das hab ich alles auf dem Laptop gespeichert.«

»Nicht auf dem Handy?«, fragte Fraser etwas ungläubig.

»Nein. Ich fotografiere mit der Spiegelreflexkamera. Die Fotos lade ich abends herunter und tippe das Tagebuch. Deshalb habe ich die Tote ja gefunden. Ich war auf der Suche nach Motiven.«

DSC Fraser nahm ihr die Kamera ab und klickte sich auf dem Display durch die Aufnahmen. Ja, fand er im Stillen, die Frau hatte ein Händchen für tolle Fotos. »Wo haben Sie Ihren Laptop?«

»Im Wohnmobil. Das steht beim Bootsverleih des Holidayparks.«


Leseprobe aus Kapitel 22


Finn kaute noch an einem wenig schmackhaften Frühstück, als ihn das Geräusch eines startenden Motors in die Höhe rumpeln ließ.

»He! Die hauen ab! Ich hab’s dir doch gesagt, wenn ich den Kerl gleich plattgemacht hätte, würde er uns jetzt nicht entwischen«

»Blödsinn, die gehen zum Wandern. Tisch und Stühle stehen noch draußen!« Auch Ryan war längst hochgesprungen. Er saß im nächsten Augenblick hinter dem Steuer, ließ ebenfalls den Motor an und gab Gas, dass die Reifen durchdrehten. Die Reste des Frühstücks und die Kaffeetassen samt Inhalt rutschten vom Tisch. Zusammen mit der Butter landete alles auf Finns Hose, den Ryans Schnellstart aus dem Gleichgewicht gebracht und auf die Sitzbank hatte zurückplumpsen lassen. 

»He, du Idiot, soll ich so zum Wandern gehen? Wer weiß, wie lange ich hinter dem herlatschen muss!«

»Zieh dich um! Schnell! Ich weiß jetzt, wo die hinwollen. Zum Trailhead-Parkplatz. Dort beginnt der Deep-Stream-Track. Ich hab gestern, als du Dödel schon geschnarcht hast, im Reiseführer geblättert. Das ist keine sonderlich lange Wanderung. Ca, zwei Kilometer an einer gefluteten Schlucht entlang. Aber da schnappen wir uns den Kerl. Du kannst ihn plattmachen und ich filme und fotografiere, damit Bobs Auftraggeber zufrieden ist.


Der Mann aus dem Wohnmobil mit dem Kennzeichen NNZ165 hatte das Fahrzeug geparkt. Nun stieg er aus – in schweren Wanderstiefeln, Funktionsjacke und Zipp-Off-Trekkinghosen. Die Frau hatte ihm den Rucksack herausgereicht, den er mit Schwung schulterte. Dann griff er sich die Wanderstöcke, die sie selbst mit herausbrachte. Auch sie war gekleidet wie für eine größere Expedition. 

»Bist du dir sicher, dass die keine hochalpine Tour vorhaben?« Finn hatte vor nichts und niemand Angst – solange er sich nicht länger auf seinen eigenen zwei Beinen fortbewegen musste. Wozu gab es Autos und Motorräder? Und wo keine anständige Straße hinführte, wollte er nicht hin. Lieber stemmte er Gewichte, boxte gegen Sandsäcke, notfalls schwitzte er sogar bei Klimmzügen – aber laufen? Nein, nur im alleräußersten Notfall.

»Keine Bange«, beruhigte ihn Ryan, »wir folgen dem nur ein kurzes Stück. Bis wir weit genug weg vom Parkplatz sind. Dann darfst du deine Muskeln spielen lassen und das angeblich so gefährliche Würstchen in Grund und Boden stampfen.« 

Finn war zufrieden. Endlich würde es Action geben, endlich konnte er seine Fäuste einsetzen. 

»Und vergiss nicht, was du sagen sollst«, erinnerte ihn Ryan, »damit der Typ auch Bescheid weiß!«

»Klar, ich weiß zwar, dass ich nicht der Klügste bin – aber soviel merk ich mir schon noch. Und notfalls erinnerst du mich und verbesserst mich, wenn ich das mit der Aussprache nicht so hinkriege.«


Der Verfolgte und seine Begleiterin legten auf den ersten Metern ein strammes Tempo vor, aber sehr schnell zeigte sich die mangelnde Kondition. Sie wurden deutlich langsamer. Nach der ersten Kurve blieb der Typ schon stehen. Vorgeblich um die Landschaft zu bewundern. Er rückte an seinem Rucksack herum und stützte sich schwer atmend auf den Wanderstöcken ab.

Finn hatte ihn mit wenigen Schritten eingeholt. »Jetzt geht’s los, Kumpel!«, rief er Ryan zu. »Denk ans Fotografieren!«

Der Verfolgte sah den tätowierten Riesen, der ihm plötzlich gegenüber stand, mit großen Augen an. Staunend sah er, dass der Riese den Arm hob, aber er war viel zu geschockt, dem harten Schwinger auszuweichen. Die Faust traf ihn mit Wucht an der Nase. Im Fallen hörte er, wie der Riese sagte: »Einen schönen Gruß von Schotter Willi soll ich dir ausrichten!«

Deutsch, das klingt wie deutsch, fuhr es ihm durch den Kopf, bevor ihm schwarz vor Augen wurde. Hazels Hilferufe hörte er nicht mehr.


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